Jetzt ist das schon ein Jahr her. Wahnsinn! Ich habe ja damals nicht viel geschrieben, eher Bilder gepostet. Von dem her jetzt eine Art Erfahrungsbericht mit den Dingen, die ich noch im Kopf habe. Ich schreibe das irgendwie auch als Erinnerung für mich auf. Es war definitiv eine Wahnsinns-Erfahrung – Grenzerfahrung weiß ich nicht, da gibt es ja noch ganz andere Dinge. Ich bin ja nicht zum Nordpol gewandert… Aber sportlich gesehen war es für mich die bis dato größte Herausforderung.
Noch mal kurz die Rahmenbedingungen: 100Km von München nach Mittenwald in max. 24 Stunden. So weit so gut. Zu verdanken hatte ich das Ganze einer Kollegin. Die kam irgendwann ins Büro und hat gesagt, sie hat sich angemeldet. Ein paar Tage überlegt und dann auch angemeldet – Schwabe wie ich bin natürlich mit „Early Bird“-Rabatt. Übrigens, diese Kollegin konnte dann krankheitsbedingt doch nicht mitlaufen. Dafür aber ein anderer
Kollege und seine Partnerin.
Ein halbes Jahr Vorbereitungszeit, das sollte ja wohl reichen. Was ich mir nicht alles vorgenommen habe: 20Km, 30Km, mal ins Geschäft laufen bei Nacht (40Km)… Klar war ich durchs regelmäßige Joggen und Kicken einiger-maßen fit, aber letztendlich bestand meine Vorbereitung aus einer Wanderung von Ulm zum Blautopf, und zwar am 1. Mai 2019, also zehn Tage vor dem MEGAMARSCH. Das waren ca. 20 Km und ich bin mit dem Zug zurückgefahren. Und das war das erste Mal, dass mir echt Zweifel kamen, denn das Ganze mal fünf, konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen.
Viele Erfahrungsberichte habe ich mir im Vorfeld nicht durchgelesen, eher Tipps was man am besten alles mitnimmt. Von dem her war ich ganz gut vorbereitet und mein Rucksack relativ leicht. Ich werde hier jetzt nicht meine Packliste aufzählen, aber rückblickend elementar: Hirschtalgcreme und Magnesium-Gel-Päckchen.
Das Wetter und die Vorhersagen für den 11. Mai wurden immer schlechter. Aber so ein Sauwetter letztendlich, das hätte ich nie gedacht. Startzeit für uns war 16:40 Uhr. Irgendwann mittags ging es mit dem Zug von Ulm nach München – ich war so aufgeregt den ganzen Vormittag. Ich war bestimmt eineinhalb Stunden davor schon am Startgelände und da hat es schon einmal angefangen heftig zu regnen. Meine beiden Begleiter kamen seelenruhig um 16:30 Uhr und meinten: „Wir mussten am Bahnhof noch kurz nach Handschuhen schauen, es könnte kalt werden“. Wurde es und ich hatte zum Glück welche dabei.
Also 16:40 Uhr und los ging’s. Ca. 3.000 Leute sind insgesamt gestartet. Knapp über 600 sind in Mittenwald angekommen, so viel schon mal vorab. Der MEGAMARSCH war aus meiner Sicht top organisiert. Es gab 4 Verpflegungsstationen (bei Km 26, 40, 71 und 81) und 2 sogenannte Powerstationen (Km 19 und 55). Die ersten 40Km vergingen wie im Flug – wir waren so mit einem 6km/h-Schnitt unterwegs. Bei Km 26 (VPS 1) haben wir eine relativ lange Pause gemacht, weil mein Kollege meinte, er brauch für die Nacht was G’scheits zum Essen: halbe Ente, Schweinsbraten und Knödel. Nicht das der Eindruck entsteht, so etwas Feines gäbe es an den VPS. Nein, da war auch ein Restaurant mit Biergarten dabei, wo einige Teilnehmer eingekehrt sind. Ich habe mich an die Verpflegung an der Station gehalten: Energy-Riegel, Salami, Gurken, etc. Stirnlampe auf und los ging’s in die Nacht (ca. 22:15).
VPS 2 (bei Km 40) haben wir dann so zwischen 0:30 und 1 Uhr erreicht. Da war dann schon deutlich weniger los, weil sich das Feld natürlich entzerrt hat. Keine lange Pause und ab da hat es bis ins Ziel ununterbrochen geregnet. Mein wichtigstes Kleidungsstück war die Gore-Tex-Regenjacke. Ich hatte auch eine Regenhose, die war aber nicht 100% wasserdicht, also Wanderhose irgendwann komplett durchnässt, Schuhe+Socken sowieso. Apropos Schuhe, ich bin mit meinen „normalen“ Laufschuhen gelaufen. Habe mir natürlich aufgrund der Wettervorhersage noch überlegt, Gore-Tex-Wanderschuhe zu kaufen, aber ein paar Tage davor hätte das auch keinen Sinn mehr gemacht. Aber wie gesagt, obenrum war ich immer trocken und das war Gold wert.
Meine Begleiter habe ich dann irgendwann verloren, die waren mir einfach zu schnell. Kurz vor Km 55 hatte ich einen kurzen Hänger. Es wurde natürlich immer kälter und in einer Unterführung habe ich mir dann noch eine zusätzliche Schicht angezogen. Jacke kurz aus und Fleece drunter, aber dann hat es mich echt ein paar Minuten richtig geschüttelt vor Kälte und ich habe gedacht, wenn das jetzt nicht aufhört, dann war’s das. Hat aufgehört!
Die nächsten 15 Km haben sich gezogen wie Gummi. Regen, Regen, Regen, irgendwann Morgengrauen und irgendwann Kochel am See (Km 70). Die ganze Nacht habe ich mich nicht bei Ulla gemeldet und ich konnte auch nicht ans Handy. Sie hat sich echt Sorgen gemacht und sagt heute noch: Ich will nicht, dass Du so etwas nochmal machst. Schau mer mal!
In Kochel am See (VPS 3) sind ganz viele Teilnehmer ausgestiegen, weil da auch der letzte Bahnhof vor Mittenwald war. D.h. man konnte mit dem Zug zurück nach München. An der VPS habe ich dann meine Begleiter wiedergetroffen – das war echt so ein Highlight. Die waren eigentlich schon wieder auf dem Sprung, haben dann aber auf mich gewartet. Eine kurze Pause: Warme Fleischbrühe, Blase am Fuß verbinden lassen, Socken wechseln, Ulla anrufen und weiter ging’s. Erstaunlich gut, trotz Riesen-Blase.
An der Stelle vielleicht kurz erwähnt: Für die letzten 30 Km habe ich ca. 8 Stunden gebraucht (d.h. „nur noch“ 3,75km/h). Nach Kochel am See ging es ordentlich hoch Richtung Mittenwald und bis Km 80 (VPS 4) lief es richtig gut. Aber die Pause bei dieser VPS hat mir nicht gutgetan. Die letzten 20 Km waren dann echt „die Hölle“. Man denkt auf der einen Seite, „geil, 4/5 geschafft“, auf der anderen Seite sind es halt immer noch mindestens 4 Stunden. Meine Begleiter habe ich übrigens wieder verloren, aber dafür einen Hamburger kennengelernt, mit dem ich den Rest mehr oder weniger zusammengelaufen bin – teilweise sogar bei Schneeregen.
Bei Km 90 das Gleiche: Geil, nur noch 10 Km. Scheiße, mindestens noch 2 Stunden. Bei ungefähr Km 95 stand ein Motivationsschild am Straßenrand, so nach dem Motto: Haltet durch und genießt den Blick auf die Zugspitze. Keine Zugspitze, alles grau. Generell, die „Wanderung“ hätte so schon sein können. Sternenhimmel in der Nacht, Bergpanorama, Sonnenaufgang in Kochel am See, Zugspitze. Pustekuchen!
Dann irgendwann Ortsschild Mittenwald und die Entfernung zum Ziel wurde in 100m-Schritten angezeigt. Bei 300 oder 400m und das Ziel in Sichtweite wollte ich nochmal „Gas geben“. Keine Chance! Ich bin durch das Ziel gelaufen (ca. 15:30), wo ich meine Medaille bekommen habe und zack geradeaus ins Bahnhofsgebäude. Ab auf eine Bierbank und meine Beine haben „zugemacht“. Von da an bin gelaufen wie ein Zombie. Nicht mal mein Freibier (alkoholfrei) habe ich mir abgeholt, aber die Urkunde, dazu konnte ich mich noch aufraffen.
Mit dem Zug bin ich dann von Mittenwald nach München und dann nach Ulm. So sehr habe ich mich noch nie auf eine Zugfahrt gefreut. Einfach ein paar Stunden sitzen. Ulla und Jonas haben mich dann am Bhf abgeholt. Der Junior war ganz erschrocken, denn wie gesagt, ich konnte kaum einen Fuß vor den anderen setzen. Im Auto dann gleich die Frage: Hast Du mir die Medaille mitgebracht? Und das hört sich jetzt vielleicht blöd an, aber das hat mich die ganze Zeit, vor allem die letzten 20Km, echt motiviert: „Bring Deinem Sohn diese Scheiß-Medaille mit, du hast es ihm versprochen.“
Meine Family war so nett. Die haben mir schon ein heißes Bad eingelassen und danach einfach nur noch schlafen. Generell haben sie mich alle super unterstützt. Sogar die Mädels. Schon im Vorfeld haben sie immer wieder gesagt „Papa, Du schaffst das“. Normalerweise ziehen sie mich bei sportlichen Dingen eher auf: Papa, Du bist über 40, da spielt man kein Fußball mehr.
3 Tage konnte ich mich kaum bewegen. Der Kniebeuger hat nicht mehr so richtig funktioniert; d.h. ich konnte meine Beine einfach nicht mehr richtig strecken. Aber es waren eigentlich keine Schmerzen. Sah halt lustig aus, wenn ich gelaufen bin. Blasen sind auch schnell verheilt.
So, was schreibe ich jetzt am Schluss? Es war eine Hammer-Erfahrung. Irgendwann ist es der Kopf, der entscheidet und nicht unbedingt die Fitness. Nach München war die Luft erstmal raus. Der Hamburger bspw. hat seither an 7-8 weiteren Märschen teilgenommen. Verrückter Kerl! Werde ich irgendwann nochmal einen MEGAMARSCH machen? Wahrscheinlich ja, auch wenn Ulla das nicht hören will. Aber ich würde München-Mittenwald schon gerne mal bei schönem Wetter machen. Oder der MEGAMARSCH auf Sylt, der würde mich reizen. Wer weiß? ;)
Mit sportlichen Grüßen
Alex
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